les fleurs du mal / die blumen des bösen

Ein alltägliches Sägeblatt, nicht mehr im Arbeitsprozeß nutzbar, weil die Blätter abgenutzt oder abgebrochen, werden von Udo P. Leis zur Bildfläche erklärt. Die kreisrunden Blätter in unterschiedlichster Größe und Stärke nimmt der Künstler nicht nur als ein Relikt der Arbeitswelt der Sägewerke und metallverarbeitenden Industrie wahr. Er erkennt in ihnen die Vielfältigkeit des Ausdrucks.

Die metallischen Flächen, rauh und spröde in ihrer Abnutzung, erfahren durch Leis eine Transformation in verschiedenste Ebenen und Medien. Sie entwickeln ein Eigenleben und wandern durch die Zeit.
Dieser Transformationsprozeß beginnt in dem Augenblick, da die Sägeblätter mit Ölfarben, Acrylacken oder Dispersionsfarben zur Bildfläche werden. Die rauhe oder glatte Oberflächenstruktur des Metalls läßt die leuchtenden Farben dabei durchbrochen erscheinen. Nichts Glattes haftet den Farbgebungen an. Die Abnutzung der Blätter schlägt sich in ihrer Oberflächenstruktur nieder. Die aufgetragenen Farben dürfen sich den Untergründen anpassen; verlaufen, sich eingraben und ihren eigenen Weg finden.

Grelles Blau, schreiendes Gelb und das alles überragende Rot – den Grundfarben haftet in dieser Herangehensweise ein unbestimmtes Eigenleben an – sie vermischen sich ungeniert, vielleicht auch sich selbst überlassen und scheinbar ungezielt. Das Ergebnis der Farbgebungen ist für das Auge überwältigend. Strahlendes Blau und sattes Grün. Entweder plan mit Durchbrüchen in Eisblau und einem ebenso eisigen Weiß, oder ein Feuerwerk in gelb-orange-grün.
Figuren oder kleinere Farbtupfer halten das Auge fest und lassen es sich in diesem Strudel der Scheibe und ihrer farbigen Struktur verorten.

Die so verfremdeten Sägeblätter werden nun von Leis in eigenwilliger und extremer Bildregie fotografiert. Es entstehen Fotos in einer Größe 145x145 cm. Die schwarze Einrahmung ist Programm. Grelle Effekte auf schwarzem Grund - kreisrunde auf wird auf quadratische Fläche übertragen. Der Künstler wählt für diesen Transformationsprozeß zwei Möglichkeiten: Fotodruck auf drei Millimeter starkem Polyethylen oder als Leinwanddruck.

Anschließend erfahren die so entstandenen Objekte ein weitere Umgestaltung. Linien, Punkte, Schattierungen und Lichteffekte in Öl, mal mit kräftigem Pinselstrich, mal zart und punktuell gesetzt, transportieren das großformatige Foto in eine dreidimensionale Sphäre. Tiefe und Struktur entstehen wie in einem Hologramm. Die Flächen scheinen sich zu bewegen und zu tanzen. Plötzlich kann sich das Auge nicht mehr festhalten. Die Dimensionen scheinen zu verschwimmen.

Was geschieht? Ein ausrangiertes Sägeblatt wird zur Bildfläche erklärt und bemalt. Rauher, rostiger schroffer Untergrund und die Weichheit der Farbe treffen aufeinander. Eine Fotoserie wird gemacht. Das kreisrunde, metallische Bild wandert in einen mechanischem Prozeß durch eine optische Linse. Auf Leinwand oder Fotopapier in quadratischer Form durch einen chemischen Vorgang fixiert erreicht es nun großformatige Ausmaße auf schwarzem Untergrund.
Wieder wandert der Pinsel über ein Medium. Ihm Tiefe verleihend und zu Authenzität erreichend.

Im Gegensatz zu Lucio Fontana, der seinen Bildflächen Verletzungen zufügte, um die Struktur der Leinwand und der Farbe auf ihr Tiefe und Dreidimensionalität zu verleihen, vermitteln die von Leis umgestalteten Sägeblätter dies ohne verletzt worden zu sein. Udo P. Leis sezuz nicht das Messer an, um Effekte und Affekte hervor zurufen. Er setzt an einem anderen Punkt an. Die Suche nach Relikten und ungwöhnlichen Bildflächen führt ihn zu den Sägeblättern. Die ausrangiert eher ein trauriges Ende gefristet hätten. So nun aber in den unterschiedlichtsten medialen Dimensionen eine ebenso ungewöhnliche Transformation durchlebten.

Kein Schmerz oder schmerzlichen Empfinden geht von ihnen aus. Aber auch kein watteweich oder Wohlbefinden. Eher lassen sie den Betrachter Emphathie über die Struktur der Dinge des Alltag übernehmen und die Wege, auch wenn sie noch so abseitig erscheinen.

Susanne Mangold